Was bedeutet Europa für dich? Für mich bedeutet es Freiheit. Wohlstand. Demokratie und Sicherheit. Vielfalt. Fortschritt. Ich finde es beachtlich, wie sich viele unterschiedliche Länder in Form der EU zusammengeschlossen haben und gemeinsam stark auftreten können. Gemeinsam den Herausforderungen unserer Zeit begegnen können, so auch der Klimakrise. Der European Green Deal, im Dezember 2019 vorgestellt, ist Europas Antwort auf den rasanten CO2-Anstieg. Kernziel: Erster klimaneutraler Kontinent zu werden.
Worum geht’s?
Konkret will die EU eine moderne, wettbewerbsfähige und vor allem nachhaltige Wirtschaft mit dem European Green Deal auf den Weg bringen, mit dem Ziel:
- Bis 2050 klimaneutral zu sein
- Das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln
- Niemanden im Stich lassen – weder Mensch noch Region
Wie genau soll das aussehen?
Konkreter wird es in den Aktionsplänen, Gesetzesvorlagen und Strategien, die bereits vorgestellt und teilweise beschlossen wurden, wie zum Beispiel:
- Aktionsplan Kreislaufwirtschaft – dieser zeigt auf, wie Ressourcen effizienter genutzt werden können
- Europäisches Klimagesetz – damit die Klimaziele auch rechtlich verpflichtend werden
- Europäische Industriestrategie
- Strategie “Vom Hof auf den Tisch” für eine nachhaltigere Lebensmittelkette
- Biodiversitätsstrategie zur Wiederherstellung der Biodiversität und Vermeidung von Umweltzerstörung
- Strategie zur Integration des Energiesystems sowie Wasserstoff-Strategie der EU
Außerdem soll im European Green Deal auch der Bausektor, die Landwirtschaft und Mobilität angegangen und nachhaltiger gestaltet werden. Kurzum: Alle Lebensbereiche, die Ressourcen verbrauchen oder CO2 generieren und damit offensichtlich in Zusammenhang mit der Klimakrise stehen.
Wie du siehst ist der Maßnahmenkatalog sehr umfassend und betrifft sehr viele Wirtschaftszweige.
Mich hat der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft besonders interessiert, daher stelle ich dir diesen etwas genauer vor.
Aktionsplan Kreislaufwirtschaft
So sieht es bisher aus
Das derzeitige Wirtschaftssystem ist überwiegend linearer Natur: Wir entnehmen unter enormen Anstrengungen Rohstoffe aus der Erde und verwursteln diese zumeist derart zu Produkten, dass kein Recycling möglich ist und die Produkte auf der Müllhalde landen. Nicht nur, dass insbesondere nicht regenerative Rohstoffe damit verschütt gehen, es entsteht auch massenhaft Abfall. Die Recycling-Quote ist erschütternd, sie liegt bei 12%. Die Produkte selbst sind teilweise auch schädlich für Mensch und Umwelt.
Das kapitalistische System hat außerdem die Krux, immer mehr wachsen zu wollen, ja, zu müssen. Eine Methode zu wachsen ist, immer mehr Produkte zu erschaffen und zu verkaufen. Damit werden auch immer mehr mangelhafte, schädliche, schnell verschleißende oder überflüssige Produkte generiert.
Dass es so nicht weiter gehen kann, adressiert der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft.
Das Ziel: Wirtschaften im Kreislauf
Hierbei werden verschiedene Maßnahmen vorgestellt, die miteinander verknüpft sind und zusammen zu einer ressourceneffizienteren Wirtschaft mit gesünderen, länger haltbaren, reparierbaren und recyclebaren Produkten beitragen sollen. Außerdem sollen die Rechte des Verbrauchers gestärkt werden. Damit baut der Aktionsplan auf Maßnahmen auf, zum Beispiel auf der Ökodesignrichtlinie für energierelevante Produkte.
Mit dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft werden verschiedene Industriezweige im Besonderen angegangen: Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnologie, Batterien und Fahrzeuge, Verpackung, Plastik, Textilien, Bauwirtschaft und Gebäude sowie Lebensmittel, Wasser und Nährstoffe. Angesetzt wird beim Produktdesign als Basis und anschließend der weitere Lebenszyklus beleuchtet, einschließlich Herausforderungen beim Recycling oder der Abfallausfuhr, generell Abfallvermeidung, sowie die nötigen Rahmenbedingungen bis hin zur Förderung von Forschung und Entwicklung.
Konkrete Punkte
Hier eine kleine Sammlung von Punkten, die ich besonders interessant finde:
- Das Recht auf Reparatur, insbesondere bei Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie, einschließlich des Rechts auf Aktualisierung veralteter Software. (Mein neues Smartphone habe ich vor allem gekauft, weil das Betriebssystem nicht mehr aktualisiert wurde und damit zunehmend Apps nicht nutzbar waren…)
- Die Verwendung von Einwegprodukten soll eingeschränkt werden
- Erhöhung des Rezyklatanteils in Produkten (z.B. durch Verwendung recycelter Kunststoff in Verpackungen oder recycelte Stoffe in Textilien)
- Incentivierung des Prinzips “Produkt als Dienstleistung” (z.B. könnten Textilien oder Elektronik für einen Gebrauchszeitraum verliehen und danach dem Produzenten zurück gegeben werden. Zum Beispiel eine Waschmaschine – mein persönliches Ziel war nie, eine Waschmaschine zu besitzen, aber ich möchte unkompliziert saubere Wäsche. Waschmaschinenhersteller könnten anbieten, dass ich diese z.B. für 1000 Wäschen nutze, und sie anschließend austauschen)
- Einführung eines Verbots der Vernichtung unverkaufter, nicht verderblicher Waren (z.B. in der Textilindustrie, in der Restbestände von Kollektionen teilweise vernichtet werden – sowas könnte in Zukunft verboten sein)
- Maßnahmen gegen vorzeitige Obsoleszenz (Das Phänomen, dass deine Elektronik wie zufällig kurz nach Erlöschen der Garantie kaputt geht…)
- Adressiert werden außerdem Themen wie Schadstoffe in Sekundärrohstoffen.
Kritik
Schade finde ich, dass das Thema unbeabsichtigt freigesetztes Mikroplastik‚ insbesondere aus Reifen und Textilien, zwar erwähnt wird. Jedoch nur mit dem Hinweis, dass Methoden zur Messung weiterzuentwickeln sind. Ein riesiges Problem wird damit erstmal vertagt. Scheinbar sind bestehende Studien dazu, wie hier vom MDR zusammengefasst, nicht ausreichend.
Da ich ja großer Cradle to Cradle Enthusiast bin, habe ich mir auch die Stellungnahme der C2C NGO angeschaut. Generell begrüßt C2C NGO den Aktionsplan und den Ansatz, beim Design der Produkte anzusetzen. Verbesserungsvorschläge bzw. Kritik aus C2C NGO Sicht sind:
- Im Preis eines Produktes müssten auch Entsorgungskosten sowie Kosten für Schäden an Mensch und Umwelt mit enthalten sein, um reale Preise abzubilden. Dann würden automatisch Produkte im Kreislauf geführt werden, da die Alternative zu teuer würde.
- Fokus auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit sorgen nicht zwangsläufig für bessere oder kreislauffähige Produkte – sie verlagern das Problem nur. Am Beispiel von herkömmlichen Autoreifen sieht man, dass sich Langlebigkeit nicht immer gut auf die Umwelt auswirkt. Die Reifen halten zwar deutlich länger als vor Jahrzehnten, bilden beim Abrieb aber extrem viel Mikroplastik.
- Es fehlt die Beleuchtung der Landwirtschaft im Plan, da hier ein großes Potential darin liegt, Böden als CO2-Senken zu nutzen.
Quellen
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420
https://ec.europa.eu/environment/circular-economy/pdf/new_circular_economy_action_plan.pdf
https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de
Ein Gedanke zu „Umweltpolitik Teil 2: Der European Green Deal“