Das Klischee schlechthin, eine shoppende Frau mit massig Tüten. Für einen kurzen Moment kommen Glücksgefühle auf, aber was macht Konsum mit uns und mit der Welt? Foto von freestocks.org von Pexels

Ich kaufe, also bin ich? Eine Konsumkritik.

Meinen Wunschzettel für dieses Weihnachtsfest kennst du bereits, jedenfalls den an die Politik. Aber mal im Ernst: Bei der Frage, was ich mir zu Weihnachten wünsche, bin ich oft erstmal ratlos. Irgendwie habe ich doch schon alles. Und von einigem auch viel zu viel. Die Vorweihnachtszeit ist, wie ich finde, eine super Zeit um sich über das Thema Konsum Gedanken zu machen und diesen auch mal kritisch zu hinterfragen.

Ein paar Zahlen…

…aus dem aktuellen Greenpeace Magazin, welches sich ganz im das Thema Konsum dreht. Wusstest du, dass…

  • Wir Deutschen durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Kopf und Jahr kaufen?
  • Wir Deutschen gut 15 Kilogramm Textilien pro Kopf und Jahr in die Altkleidersammlung geben?
  • Jährlich mehr als 20 Millionen neue Smartphones gekauft werden?
  • Wir Deutschen im Schnitt 19,4 Kilogramm Elektronik pro Kopf und Jahr wegschmeißen?

Für mich klingt das nach sehr viel kaufen und sehr viel wegschmeißen. Aber warum kaufen wir eigentlich so viel?

Die Werbung verspricht: Konsum löst Probleme

Werbung durchdringt unser komplettes Leben. Es ist fast unmöglich ihr zu entkommen. In den Innenstädten, im Radio, der Zeitung, in Zeitschriften, auf Social Media Kanälen, im E-Mail-Postfach und auf noch vielen weiteren Wegen werden wir täglich mit zig Werbebotschaften bombardiert.

Wenn du dieses Gesichtswasser nutzt, hast du wunderbare Haut und fühlst dich wohl!

Wenn du dieses Auto fährst, fühlst du dich frei!

Wenn du dieses Parfüm trägst. fühlst du dich von aller Welt begehrt!

Werbung verkauft uns vor allem ein Gefühl. Ein Gefühl, das wir vermissen, wonach wir uns sehnen. In unserem hektischen Alltag ist wenig Zeit für Freiheit, Nervenkitzel, Entspannung, Sinnlichkeit, Verbundenheit. Der Mangel lässt sich zum Glück ruck zuck beheben – die Werbung suggeriert uns, dass das Produkt unserer Begierde nur einen Klick weit weg ist. Nur ein Klick, und das Problem ist gelöst! Aber kaum ist das Produkt samt dem gewünschten Gefühl in unseren Haushalt eingezogen, kehren wir alsbald zurück zum Status Quo. Eine subtile Unzufriedenheit macht sich erneut breit. Was kaufe ich als nächstes?!

Ich schreibe das nicht, um mich darüber lustig zu machen. Mir geht es ja selbst so! Ein Beispiel aus meinem Alltag: Stress setzt sich bei mir im oberen Rücken fest, meine Schultern und mein Nacken sind dann ganz verspannt. Eigentlich wäre die Lösung ganz einfach, Entspannungsmethoden gibt es zuhauf und sonderlich kompliziert sind die auch nicht. Meditation, Yoga, autogenes Training – wäre alles sofort möglich. Aber da das mit Aufwand verbunden ist, bin ich da nicht so hinterher. Über Werbung werde ich aufmerksam auf eine Akupressurmatte, welche Linderung durch bloßes drauf liegen verspricht. Zack, gekauft, ich möchte Entspannung, und zwar jetzt! Wenige Tage später ist die Matte da (zwischendurch hatte ich schon fast wieder vergessen, sie gekauft zu haben…). Der Hersteller empfiehlt, täglich mindestens 45 Minuten auf der Matte zu verbringen. Hm. Wenn ich mir täglich 45 Minuten Zeit für Entspannung nehmen würde, hätte ich die Matte vermutlich gar nicht gebraucht…

Macht uns der ganze Konsum zumindest glücklicher?

Darüber habe ich bereits in meinem Artikel über das Buch “Unsere Welt neu denken” von Maja Göpel geschrieben, da sie genau diese Frage auch eruiert. Aber weil es so gut zum Thema passt:

Paradoxerweise macht uns dieser ganze Überfluss nicht einmal glücklicher.

Diese These stützen mehrere Indizien. Das „Paradox of Choice“ sagt zum Beispiel aus, dass uns eine größere Auswahl an Produkten unzufrieden macht, da wir immer das Gefühl haben, nicht das perfekte gewählt zu haben. (Ein Grund, warum ich die kleinen Supermärkte bevorzuge. Wer braucht denn bitte 100 verschiedene Marmeladensorten?) Verlustängste werden größer, die Angst vor dem „Weniger“ sitzt tief. Ja nicht weniger haben als die Mitmenschen. Das Haben, der Materialismus, macht zunehmend unseren Selbstwert aus. Damit hat sich der amerikanische Psychologe Tim Kasser auseinander gesetzt und erkannt, dass Materialismus sowohl Ursache als auch Ausdruck von Unsicherheit und Unzufriedenheit ist. Das heißt: Wir kaufen, weil wir unzufrieden sind (siehe Konsum als Problemlöser). Und wir sind unzufrieden, weil wir zu viel kaufen.

Dinge binden Zeit und Geld

Bei der Anschaffung geht Zeit für die Recherche und natürlich der Anschaffungspreis drauf. Dann muss der Gegenstand unterhalten, gepflegt, gelagert werden. Sortiert, organsiert, geputzt, genutzt… Und was man sonst noch so mit seinem Besitz macht. Und wenn man ihn wieder loswerden will, verkauft oder entsorgt werden. Da kommt einiges zusammen.

Der Klassiker: Schuhe, Schuhe, Schuhe

Vielleicht hast du schon von der Aufräumexpertin Marie Kondo gehört. Ihr Buch “Magic Cleaning” ist weltweit ein Bestseller und hat sogar eine eigene Serie auf Netflix bekommen. Dort sieht man das ganze Ausmaß unserer Konsumlust: Verzweifelte Amerikaner mit riesigen Häusern und Garagen, alles voll mit Dingen die sie einfach nicht mehr brauchen, die kaputt sind oder von denen sie viel zu viel haben. Marie Kondo hilft ihnen, sich von der Last ihres Besitzes zu lösen. Kategorie für Kategorie, Gegenstand für Gegenstand wird durchforstet und am Ende ist die Wohnung herrlich übersichtlich und aller Überfluss entsorgt.

Entsorgt? Ein lustiges Wort. Tschüssi Sorge! Genau genommen wird die Sorge nur verschoben. Denn irgendjemand muss sich ja um den ganzen Müll kümmern, oder?

Der Gedanke, der mir als Nachhaltigkeitsforscherin dazu kam: Was, wenn die Menschen diese Sachen gar nicht erst gekauft hätten? Und was, wenn diese Sachen gar nicht erst hergestellt worden wären?

Maja Göpel: Unsere Welt neu denken

Konsum und das Klima

Abfall, Abfall, Abfall

Nun ist ja leider nicht alles schön nach Cradle to Cradle produziert und zirkuliert munter in Kreisläufen. So stellt sich die Frage: Was tun mit dem kaputten Altgerät oder der nicht mehr getragenen Kleidung?

Bei einigen Konsumgütern bietet es sich ja noch an, diese wieder zu reparieren, aufzuwerten und ein zweites Leben zu geben. Recycling ist auch eine Möglichkeit. Wobei man eher von Downcycling spricht. So wird kaputte Kleidung eher zu Putzläppen oder Dämmung verarbeitet statt zu neuer Kleidung. Erschwert wird das Recycling zum Beispiel dadurch, dass Kleidung aus verschiedenen Stoffgemischen besteht und es ohne das Etikett schwer nachvollziehbar ist, was man da eigentlich vor sich hat. Einfacher ist Recycling aus sogenanntem “Pre-Consumer-Waste”, also Textilreste bei der Produktion oder nicht verkaufte Ware. Bei Elektronik sieht es ähnlich schwierig aus. So sind zum Beispiel seltene Erden in Smartphones verbaut, jedoch so, dass sie kaum zu extrahieren sind. Manche seltene Erden können weltweit nur zu 1% recycelt werden.

Am Ende bleibt dann noch die Müllhalde oder vielleicht noch thermische Verwertung – Verbrennen zur Energiegewinnung.

Globalisierung

Freihandel ist eine Maxime unserer Wirtschaft, der in den letzten Jahrzehnten viel ermöglicht wurde. Die Idee: Grenzenlose Märkte, ungestörter Handel über alle Länder und Kontinente hinweg. Mit einer starken Freihandelspolitik wurde der Globalisierung quasi der Weg geebnet. Das hat positive Aspekte, aber auch negative Konsequenzen. Nennenswert finde ich dabei drei Sachen:

  • Transportwege: Per Flugzeug, Frachtschiff, LKW werden Güter über teilweise tausende Kilometer verfrachtet, was viel CO2 freisetzt, da es sich nicht gerade um umweltfreundliche Technologien handelt.
  • Export: Grenzenloses Wachstum, aber der Binnenmarkt ist gesättigt? Dann ab ins Ausland damit! Export ist per se nicht schlecht, nimmt aber obskure Formen an. So ist Deutschland zum Beispiel eine Exportnation für Fleisch. Wir “produzieren” mehr Fleisch (schon diese Bezeichnung…) als wir essen können und schippern dies in andere Länder. Paradoxerweise importieren wir aber auch, ja genau, Fleisch! Japanisches Kobe-Rind, Steak aus den USA, irisches Weiderind…
  • Ausnutzung günstiger, kaum regulierter Standorte: Den meisten bekannt ist, dass sich die Textilindustrie in Asien angesiedelt hat und dort meist zu menschenunwürdigen Bedingungen und geringen Löhnen produziert wird. Ab und zu erreichen uns die Horrormeldungen wie eingebrochene oder abgebrannte Sweatshops. Ähnlich schaut es in anderen Industrien aus. Für Elektronik braucht es zum Beispiel seltene Erden. Diese werden unter anderem im Kongo abgebaut, beispielswiese wird Kobalt für Akkus aus Minen geholt. Die Minen werden teilweise illegal betrieben, haben eine hohe Einsturzgefahr und kosten nicht selten Menschenleben. Dazu kommt Kinderarbeit, und noch viele weitere Vergehen gegen die Menschenrechte. Das Kobalt einfach nicht mehr aus dem Kongo beziehen ist insgesamt jedoch nicht möglich, da die Reserven weltweit sehr ungleich verteilt sind. 60% der weltweiten Kobaltförderung findet im Kongo statt, das ließe sich nicht einfach so durch Abbau in anderen Ländern substituieren.

Externalisierung von Kosten

Dazu kommt, dass viele Kosten durch Klimawandel, Umweltverschmutzung etc. nicht einmal durch die Verursacher getragen werden müssen. Man spricht dabei von der Externalisierung von Kosten. Für CO2 und andere Treibhausgase wird unsere Atmosphäre als Müllkippe genutzt, ohne dass dafür etwas zu zahlen ist. Ein angemessener CO2-Preis wäre hier ein Ansatz, dem entgegen zu wirken. Ein anderes Beispiel ist die Auslaugung von Böden durch den Einsatz von Pestiziden in der herkömmliche Landwirtschaft oder von Nitrat verunreinigtes Grundwasser durch zu viel Gülle etc. aus Massentierhaltung.

Die große Frage: Wieviel ist eigentlich genug?

Für ein “genug” gibt es sogar ein schönes Fachwort: Suffizienz. Das heißt laut Lexikon der Nachhaltigkeit:

“Der Begriff Suffizienz (aus dem Lateinischen sufficere = ausreichen, genügen) steht für “das richtige Maß”, bzw. “ein genügend an”. Verstanden werden kann die Suffizienz als Änderungen der vorherrschenden Konsummuster.”

Suffizienz ist einer der Ansätze bei der Frage, wie dem Klimawandel am besten begegnet wird. Sie ist Kerngedanke der Postwachstumsökonomie, auch De-Growth genannt. Ein ganz radikaler und polarisierender Verfechter ist Prof. Niko Paech. Mit Büchern wie “Less is more” oder “Befreiung vom Überfluss” zeigt er, wie ein Leben ohne Wachstum und mit wenig Konsum aussehen kann. Auch wenn ich nicht ganz mit der Radikalität von Niko Paech mitgehe, so sind viele seiner Gedanken doch überzeugend. Hier kann ich dir den Podcast “Masters of Change” empfehlen, bei dem Niko Paech interviewt wurde.

Und was denkst du, wieviel ist für dich genug? Welche Dinge machen dir Freude, worauf kannst du gut und gerne verzichten?

2 Gedanken zu „Ich kaufe, also bin ich? Eine Konsumkritik.

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